
Gernot Jochum-Müller, Gründer und Geschäftsführer von Zeitpolster ist zu Gast bei Better Great Together und spricht mit Maria Holzer über soziale Innovationen.
Über Zeitpolster
Zeitpolster ist ein besonderes Betreuungs- und Vorsorgemodell: Wer anderen hilft, bekommt kein Geld, aber eine Zeitgutschrift, die im Alter gegen Betreuung eingelöst werden kann. Mit dem Social-Business-Modell wird ein brennendes gesellschaftliches Problem auf unternehmerische Art und Weise gelöst. Überschüsse werden reinvestiert.
Im Gespräch schildert Gernot Jochum-Müller seinen Werdegang, Herausforderungen und Lernschritte auf seinem Weg. Vorerst eher als Hobby gedacht, entdeckte der ursprünglich gelernte Betriebselektriker schon früh seine Leidenschaft für soziale Arbeit, worin er auch sein Studium abschloss und er gründete gleich mehrere Organisationen, die es alle heute noch gibt. Sein beruflicher Weg führte dabei in die Unternehmensberatung und in die Organisationsentwicklung, als er sich vor nun mehr 22 Jahren selbstständig machte. Dabei hatte er von Anfang an eine Idee davon, wie sich Menschen und Organisationen entwickeln.
Soziale Innovation
„Irgendwann war der Wunsch und auch die Möglichkeit da: jetzt gründe ich tatsächlich nochmal etwas, das nicht nur in der Region funktioniert, sondern das allen Kriterien der sozialen Innovation, der Wirkungsmessung, der Skalierbarkeit und des großen gesellschaftlichen Mehrwerts entspricht und das ist Zeitpolster“ verrät Gernot Jochum-Müller.
Zeitpolster darf dabei von einer langen Entwicklungszeit profitieren, bereits 2003 gab es erste Erfahrungen mit denen man „super gescheitert“ sei, kann der erfahrene Unternehmensberater heute gelassen berichten. Man habe von diesem Scheitern gelernt, alles dokumentiert und essenzielle Fragen beantwortet. Beispielsweise jene, wie man dieses System, das es bereits in anderen Ländern gibt, erfolgreich in unseren kulturellen Raum bringen kann.
Das ist Zeitpolster
„Zeitpolster ist ein Freiwilligennetzwerk, wo Menschen, die schon ein bisschen Zeit haben (die meisten sind schon eher 50 plus) Betreuungsleistungen erbringen: für alte Menschen, Menschen mit Behinderungen und Familien mit Kindern. Die Freiwilligen erhalten kein Geld dafür, sondern eine Zeitgutschrift, die man dann im Alter einlösen kann gegen Betreuungsleistung.“ erläutert der Gründer das System von Zeitpolster.
Die lokalen Freiwilligenteams selbst werden geschult, ausgestattet und können weitere Freiwillige finden. Für die betreute Person kostet die Stunde € 9,-, wobei ungefähr die Hälfte davon auf ein Notfallkonto gelegt wird. Sollte später kein Team zur Verfügung stehen oder ein Umzug ins Ausland erfolgen, kann dieses Geld für die Betreuung herangezogen werden.
Für die Freiwilligen geht es dabei auch um Wertschätzung, Entwicklung, Selbstwirksamkeit und um Fragen des Alterns. Zudem wird Betreuung in einigen Jahren noch kostenintensiver werden und kann so auch mit Zeitguthaben bezahlt werden.
Die Tätigkeiten
Bei den Betreuungsleistungen geht es nicht um Pflege, das ist klar ausgebildeten Personen vorbehalten. Es umfasst verschiedenste Tätigkeiten, wie Einkaufen gehen, gemeinsam kochen, Unterstützung im Haushalt, Fahrdienste und Botengänge oder Administratives. Zudem spielt die Entlastung von pflegenden Angehörigen eine Rolle und auch die Kinderbetreuung gehört dazu.
Was zeichnet eine soziale Innovation aus?
Beginnt man bei der Bedeutung der Worte ist der Begriff „social“ im Englischen weitgreifender zu verstehen als im Deutschen und bedeutet „gesellschaftlich“, er beinhaltet Umwelt & Soziales. Innovation bedeutet im Kern etwas neu zu machen.
Bei „Social Business“ geht es um wirkungsorientierte Unternehmen mit klaren gesellschaftlichen Wirkungskriterien. Die auch darauf abzielen, das Verhalten von Menschen zu ändern, so dass ein gesellschaftlicher Mehrwert entsteht. „Wir sind marktorientiert als Unternehmen aber Impact-getrieben.“ Anstatt Gewinnmaximierung geht es um Wirkungsmaximierung. „Das ist glaube ich die schönste Form der sozialen Innovation“ erläutert Gernot Jochum-Müller.
Mehrwert für Unternehmen
Es gibt eine schöne Möglichkeit der Kooperationen mit Betrieben. Immer mehr Mitarbeiter*innen haben Betreuungspflichten gegenüber Eltern und fallen zum Teil dadurch auch aus. Der Betrieb bekommt das vielleicht anfangs nicht mit und sieht sich in weiterer Folge mit Arbeitszeitkürzungen oder gar Kündigungen konfrontiert. Zeitpolster bietet Unternehmen die Möglichkeit, hier eine Antwort zu geben. Wenn es rund um den Betrieb eine funktionierende Zeitpolster-Gruppe gibt, kann das Unternehmen beispielsweise Zeitgutscheine an Mitarbeitenden geben und so klare Unterstützung bieten.
Hier entstehen schöne Partnerschaften mit Unternehmen, die über das klassische Sponsoring hinaus gehen. Es geht um ein gemeinsames Tun, wo zum Teil auch eigene Gruppen gegründet werden. Unternehmen können die Teams mit einfachen Dingen, wie der Nutzung von Besprechungsräumen unterstützen. Die unterschiedlichen Pakete enthalten zudem auch ein gewissen Anteil an Zeitgutschriften.
Übergang in die Pension
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Unterstützung von Unternehmen und der Mitarbeitenden beim Übergang in die Pension. Hier gibt es von beiden Seiten oft Unsicherheiten, die begleitet werden können. Funktioniert dieser Übergang nicht, bleiben ehemalige Mitarbeitende mit einem schlechten Gefühl zurück und Unternehmen verlieren dadurch wichtige Fürsprecher*innen für sich.
Zeitpolster bietet dafür eine eigene Tools-Box an: „Vorbereiten auf die Pension“ mit klaren Anleitungen. Damit können HR-Verantwortliche mit Mitarbeitenden arbeiten, die kurz vor der Pension stehen und erhalten Unterstützung anhand von Bild- und Themenkarten. Dabei werden wichtigen Fragen rund um das Thema der Pensionierung aufgegriffen: Wie z.B.: Was werde ich tun, wenn ich in Pension bin? Wofür bin ich dankbar? Was braucht es im Unternehmen für eine gute Übergabe? Wenn es darüber hinaus Unterstützung braucht, gibt es auch die Möglichkeit von Tagesseminaren.
Mehr Informationen gibt es unter https://www.zeitpolster.com
Gernot Jochum-Müller ist zudem Mitgründer von SENA, dem Social Entrepreneurship Network Austria. Mehr Informationen gibt es unter https://www.sena.or.at.